Das Pitbull-Syndrom

Ausgrenzung, Fake-News, Anfeindungen: Womit sich die Halter so genannter Kampfhunde konfrontiert sehen und was die tieferen gesellschaftlichen Gründe dafür sind.

Eine kontroverse Debatte blüht nach Unfällen mit Hundebeteiligung immer wieder auf, vorzugsweise dann, wenn ein so genannter Kampfhund der Aggressor war. Sie zeichnet sich durch ein tiefes Niveau an Sachverstand und Diskussionskultur aus. Um so wichtiger ist ein faktenbezogener Beitrag wie das Pitbull-Syndrom.

 

Leseprobe:

Die klare Sprache der Zahlen.

 

Um die Grössenverhältnisse gleich von Anfang an zu wahren, beginnen wir am besten mit einer Frage: Sie haben sich bestimmt schon verschluckt, oder? Unangenehm, klar. Aber hatten Sie beim Würgen und Husten nur schon einmal auch nur den Anflug eines Gefühls wie Todesangst erlitten? Natürlich nicht. Das wär’s ja noch. Todesangst beim Verschlucken. Sie haben völlig Recht. Angst wäre vermessen. Gemäss "The Book of Risks" von Larry Laudan beträgt die Wahrscheinlichkeit, an einem Lebensmittel-Brocken zu ersticken, nur 1 zu 160'000.

 

Andere Frage: Hatten sie beim Aufstehen schon mal Furcht vor dem oft beschwerlichen ersten Schritt des Tages empfunden, dem Schritt über die Bettkante auf den Fussboden? Natürlich nicht. Klarer Fall. Und auch da haben Sie Recht. Denn gemäss Laudan beträgt die Wahrscheinlichkeit, bei einem Sturz aus dem Bett zu sterben, die sagenhafte Wenigkeit von 1 zu 2 Millionen.

 

Natürlich scheinen die Beispiele absurd. Aber genauso so absurd ist es, sich davor zu fürchten, von einem Hund tödlich gebissen zu werden. Genau genommen: Es ist noch viel absurder. Die Wahrscheinlichkeit, Opfer einer tödlichen Hundeattacke zu werden, beträgt nämlich rund 1 zu 75 Millionen. Der Tod durch einen Sturz aus dem Bett ist also 37,5 Mal wahrscheinlicher als der Tod durch einen Hundebiss. Schon allein diese Zahl genügt, um den Aberwitz der gegenwärtigen Kampfhunde-Hysterie zu erahnen.

 

Tödliche Beissunfälle sind also von extremster Seltenheit. Aussagekräftiges Zahlenmaterial für die Schweiz ist rar, was an sich schon ein Indiz dafür ist, dass es sich um ein absolut marginales Phänomen handeln muss. Schauen wir deshalb kurz in die USA. Dort gibt es pro Jahr 10 bis 20 Todesfälle infolge Hundebiss (gemäss The Humane Society of the United States). In Relation zur Bevölkerung von 300 Millionen kommt demnach ein einziger Todesfall auf jeweils 15 bis 30 Millionen Leute. Bricht man diese Zahlen auf die Bevölkerung der Schweiz von 7,5 Millionen herunter, so ergibt dies zwischen 0,5 und 0,25 Toten pro Jahr. Allerdings ist die Hundedichte in den USA höher. Es gibt dort mehr Hunde pro Anzahl Einwohner, woraus mit grosser Wahrscheinlichkeit mehr Unfälle resultieren.

 

Deshalb sind die amerikanischen Zahlen wohl zu hoch für die Schweiz. Die Organisation Lexcanis geht in einem Papier denn auch von weniger Todesfällen aus: Dort wird mit einem Toten alle 10 bis 15 Jahre in der Schweiz gerechnet. Das ergäbe 0,07 bzw. 0,1 Tote pro Jahr. Gut vergleichbar ist ferner Deutschland, das eine ähnliche Hundedichte und Besiedlungsstruktur aufweist wie die Schweiz. Dort rechnet man mit rund 1,5 Toten pro Jahr (gemäss Studie "Ökonomische Gesamtbetrachtung der Hundehaltung in Deutschland", S. 4). Deutschland hat eine Hundepopulation von ungefähr 5,3 Millionen. Bringt man die 1,5 Toten in Relation zur Schweizer Hundepopulation von 0,45 Millionen, so ergibt das 0,13 Tote pro Jahr für die Schweiz.

 

Wir sehen eins: Die Zahlen divergieren zwar ein bisschen. Aber sie sind sich völlig einig im wichtigsten Punkt: Dass nämlich das Risiko, Opfer einer tödlichen Hundeattacke zu werden, mikroskopisch klein ist. Nehmen wir deshalb den Schnitt folgender Zahlen: Lexcanis Höchstwert (0,1), Lexcanis Tiefstwert (0,07), Vergleich Deutschland (0,13). Das ergibt 0,1 Toter pro Jahr in der Schweiz. Und jetzt das grosse Rechnen: Geht man von 0,1 Toten pro Jahr in der Schweiz und einer Bevölkerung von 7,5 Millionen aus, dann ist die Wahrscheinlichkeit, im Verlaufe eines Jahres von einem Hund tödlich gebissen zu werden, somit 1 zu 75'000'000. Präziser gesagt: Es gibt in der Schweiz jährlich einen einzigen Toten auf eine (hypothetische) Masse von 75 Millionen Menschen. Um zu sterben, müsste man das riesengrosse, unglaubliche, kaum vorstellbare Pech haben, genau jener aller-aller-einzige unter der riesigen Masse von 75 Millionen zu sein, der von einem Hund tödlich attackiert wird.

 

Leseprobe:

Getriebene des Zeitgeistes

 

In der Hundefrage ist das Verhalten der Politiker eher reaktiv als proaktiv. Andersrum: Sie reagieren auf Strömungen und Forderungen der Öffentlichkeit. Zumal nach tragischen Ereignissen nehmen sie die Thematik gerne auf, um Handlungsfähigkeit zu beweisen. Meist ist der Drang nach Verdichtung des ohnehin kaum mehr durchschaubaren Paragraphendschungels gross, Verbote und Vorschriften haben Konjunktur. Wenden wir den Blick hin zu einem anderen Thema, um die universelle Gültigkeit eines solchen Mechanismus zu erkennen. In der Textsammlung "Prohibitions" wird die Wirksamkeit (oder vielmehr eben: Unwirksamkeit) von restriktiven Gesetzeswerken in verschiedenen gesellschaftlichen Kontexten untersucht. Ein Kapitel ist der Schusswaffenproblematik gewidmet. Dabei zeigt der Autor eine eindrückliche Wechselwirkung von schlimmen Ereignissen mit Feuerwaffen und der Einführung strenger Waffengesetze auf. Restriktive Waffengesetze bis hin zu Verboten sind oft die unmittelbare, reflexhafte Reaktion der Politik auf schlimme Einzelfälle, seien es Unfälle oder Verbrechen mit Feuerwaffen, die eine grosse öffentliche Resonanz fanden. In keinem der untersuchten Länder führten die Verbote jedoch zum angestrebten Resultat, nämlich der nachhaltigen Reduktion von Verbrechen. Ganz im Gegenteil: In England stieg die Zahl der Gewaltverbrechen und Morde nach der Einführung eines restriktiven Waffengesetzes in den 90er Jahren an, während in den USA, die mehrheitlich einem liberalen Ansatz treu blieben, die Kriminalität stetig zurück ging. Wir können daraus eine Regelmässigkeit ableiten, die auch bei schweren Unfällen mit Hunden prototypisch zu beobachten ist: Ein schlimmer Einzelfall löst
restriktive Massnahmen aus, deren Wirksamkeit alles andere als sicher ist.

 

Rezensionen auf Amazon

 

Es sei aber auch jedem anderen ans Herz gelegt, der sich mit der Thematik Kampfhund / gefährlicher Hund / Listenhund bzw. medialer Einfluss / Meinungsmache / Massenhysterie beschäftigen möchte.

 

Erfreulicherweise hat es jedoch Herr Stefan Burkhart mit seinem Buch geschafft, endlich mal Statistiken, wissenschaftliche Erkenntnisse und Fakten darzustellen, welche der Realität entsprechen!!! Das macht dieses Buch zu einem der wertvollsten Werke in Bezug zur Aufklärung über die durch die Medien und Politik entfachte Hetzjagd gegen einige der von Natur aus menschenfreundlichsten Rassen überhaupt!!!

 

Pflichtlektüre. Der Untertitel des Buches ist vielleicht sogar noch aussagekräftiger: " Die Angst vor Hunden und der moderne Zeitgeist" Beschrieben wird, wie es zu der, ich würde es als Massenhysterie bezeichnen, vorherrschenden Einstellung Hunden gegenüber kommen konnte.

Das Pitbull-Syndrom

Stefan Burkhart

160 Seiten

11 Euro

ISBN 978-3-8370-4580-2

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