Der Hund im Krieg
Das Buch ist ein im deutschsprachigen Raum erstmaliger Versuch, die Geschichte von Hunden im Krieg zusammenzufassen. Mindestens 3'000 Jahre voller Faszination, Heroismus und Aufopferung.
Der Hund im Krieg
3'000 Jahre im Einsatz
Stefan Burkhart
508 Seiten
ISBN 9783734759901
EUR 18
im Buchhandel und Online Buchhandel
erschienen 2015
Link zu amazon.de
Leseprobe: Nachrichtenhunde im 1. Weltkrieg
Nachrichtenhunde hatten die Aufgabe, Informationen von einem Punkt zu einem anderen zu tragen. Dies konnte in verschiedenen Situationen nützlich sein: Beispielsweise für die Kommunikation
zwischen einem Kommandoposten und ihm unterstellten Einheiten, einem Vorposten oder isolierten Stellungen. Möglich war auch, dass ein Hund eine Einheit begleitete, wenn sie sich bewegte. Sodann
konnte er losgelassen werden, um zurück zum Ausgangspunkt zu laufen und so die Verbindung zu halten. Wichtig war sodann der Einsatz für die Verbindung zwischen Infanterie und Artillerie. Dazu
muss man etwas abschweifen. Die Artillerie erlangte im 1. Weltkrieg eine Bedeutung wie noch nie zuvor. Ihr Einsatz führte dazu, dass weite Areale zur absoluten Todeszone wurden und sich die
Soldaten kaum noch bewegen konnten. Die Artillerie zwang die Infanterie, sich in der Erde zu verschanzen, was der Westfront ihr charakteristisches Gefüge als Grabenkrieg verlieh. Die Bedeutung
der Artillerie lässt sich auf tragische Weise daran ablesen, dass rund Dreiviertel der Verluste auf ihr Konto gingen. Sie war – nebst dem Maschinengewehr – die ganz große Killerin in diesem
Krieg. Entscheidend für den Erfolg erwies sich, dass Artillerie und Infanterie ihre Handlungen koordinierten. Das Problem dabei war, dass die Distanz zwischen einer Infanterieeinheit und einer
Artilleriestellung mehrere Kilometer betragen konnte, wobei es natürlich besonders kompliziert wurde, wenn die Infanteristen in Bewegung waren, beispielsweise bei einer Offensive. Wenn die
Artilleristen keine verlässlichen Koordinaten hatten, so konnte das verheerende
Folgen haben. Immer wieder belegten Batterien aufgrund falscher Zielvorgaben eigene Einheiten mit Feuer. Bei der unglücklichen französischen Offensive am Chemin des Dames vom April 1917
beispielsweise wurde ein Kolonialkorps aus Senegal durch eigenen Artilleriebeschuss stark dezimiert. Die Offensive scheiterte, unter anderem, deshalb. In vielen anderen Situationen konnte die
Artillerie die vorgerückten Infanterieeinheiten überhaupt nicht unterstützen, weil deren Koordinaten unbekannt waren. Dies wiederum konnte eine ganze Offensive zum Scheitern verurteilen. Wenn
sich beispielsweise ein Bataillon einige Kilometer mühsam vorgekämpft hatte und dann keine Artillerieunterstützung erhielt, so war der Vorteil verspielt. Ein solches Bataillon konnte dem mit
Sicherheit einsetzenden Gegenangriff nicht standhalten, musste sich zurückziehen oder wurde sogar zerstört. Wie konnte man also verlässlich kommunizieren? Wobei verlässlich bedeutete: über die
Distanz von einigen Kilometern, bei jedem Wetter, bei schlechter Sicht, in jedem Gelände, unter feindlichem Beschuss. Natürlich standen im 1. Weltkrieg bereits technisch ausgereifte
Kommunikationsmittel zur Verfügung. Telefone gab es, sogar drahtlose Systeme. Aber die Technologien waren anfällig. Das Verlegen der Leitungen dauerte lange und war für die Nachrichtensoldaten
oft tödlich. Sodann zerschnitten einschlagende Granaten die Kabel immer wieder, was eine aufwändige und gefährliche Reparatur erforderlich machte. So blieb den Infanteristen oft nur das Abfeuern
von Leuchtspurmunition, um ihre Position zu markieren. Aber auch Leuchtspurmunition funktionierte nicht, wenn die Sicht schlecht war, etwa bei Nebel. Zum Teil lieferten Beobachter in Ballonen
oder Flugzeugen die richtigen Koordinaten. Eine weitere Alternative waren Tauben. Doch auch sie mussten zunächst in die Stellungen geschafft werden, bevor sie zurück zum Ausgangspunkt flogen,
etwa einem Kommandoposten oder einer Batterie. Dabei wurden sie leicht Opfer von Splittern oder Giftgas. Angesichts all dieser Mängel mussten täglich Meldeläufer losgeschickt werden, die eine
Nachricht zu Fuß überbrachten. Die Verluste dabei waren riesig. Die Läufer kamen durch Artilleriebeschuss, Giftgas, Scharfschützen ums Leben oder verirrten sich in der Mondlandschaft des
Niemandslandes. Aufgrund dieser Ausgangslage waren Hunde willkommen als Nachrichtenträger. Die Vierbeiner trugen einen Zettel mit einer Information in einer am Halsband befestigten Kapsel von
Punkt A nach Punkt B und – je nach Dressur – gleich eine Nachricht in die Gegenrichtung. Bei wichtigen Nachrichten schickte man manchmal zwei Hunde los. Diese Aufgabe entsprach ganz der
Veranlagung des Hundes und konnte ihm ohne großes Training beigebracht werden. Denn der Hund ist erstens ein ausdauerndes Lauftier. Er verfügt weiter über einen phänomenalen Orientierungssinn.
Die Nachrichtenhunde waren eindeutig schneller als menschliche Läufer. Je nach Gelände liefen sie zwei bis vier Mal schneller als ein Mensch. Ihr Unterhalt war günstig. Sie waren resistent, gegen
schlechtes Wetter sowieso, aber auch gegen Krankheiten. Ihren Verlust konnte man leichter verkraften. So hart es klingt: Waren sie verletzt, so belasteten sie nicht den Sanitätsdienst. Vielmehr
konnte man ihnen mit einer einzigen Kugel fast kostenlos ein schmerzloses Ende bereiten. Ganz nach hündischer Manier waren sie immer voll motiviert, die ihnen übertragene Aufgabe selbst unter
schwierigsten Bedingungen zu Ende zu bringen. Zahlreich sind die Geschichten von Nachrichtenhunden, die eine Information trotz schweren Verletzungen mit allerletzter Kraft ins Ziel trugen. Max
von Stephanitz berichtete etwa von einem Hund beim 4. Garderegiment zu Fuß. Diesem wurde auf einem Botengang bei Peronne an der Somme ein Hinterlauf abgeschlagen. Auf drei Beinen humpelnd
überbrachte er dennoch seine Nachricht und starb. (vgl. Stephanitz 1921, S. 351) Weiterhin konnte man alle Arten von Hunden für den Nachrichtendienst verwenden, auch ausgesprochen kleine Gesellen
wie Terrier oder Spaniels. Kleine Hunde hatten sogar den Vorteil, dass sie vom Feind weniger gut gesehen und weniger gut aufs Korn genommen werden konnten. Die Hunde waren umso nützlicher, je
größer die zu überwindenden Distanzen waren. Dies zeigte sich eindrücklich in der Endphase des Krieges. Im Frühling 1918 starteten die Deutschen ihre große Offensive. Die Entente-Mächte wehrten
den Angriff ab und setzten an vielen Punkten ihrerseits zu großen Gegenangriffen an, die schließlich zum Einbruch der Front und zur deutschen Kapitulation führten. Der 9. (schottischen)
Infanteriedivision gelang in dieser Phase des Krieges ein Vorstoß von 17 Kilometer ohne großen Widerstand. Der Hund Major wurde losgelassen. Er musste jetzt die 17 Kilometer zurück zum
Ausgangspunkt rennen, wo sich der Kommandoposten befand. In seiner Kapsel trug er eine Nachricht mit der Aufforderung zur sofortigen Unterstützung. Major rannte die Strecke in einer Stunde. Wie
es der Hundeführer, Corporal Taylor, innig beschrieb: »Er ist nichts Besonderes zum Anschauen — ein Mix aus Lurcher und Deerhound, aber er ist ein Goldherz.« (in Richardson 1920, S. 123 - 124)
Leseprobe: Die Militärhunde der Südvietnamesen
Die MAAGV (= Military Assistance Advisery Group Vietnam, amerikanische Militärberater in Vietnam) empfahl den südvietnamesischen Streitkräften schon 1961 den Einsatz von Patrouillen- und Wachhunden. Zunächst flog man einige Hundeteams nach Vietnam ein, um eine Demonstration ihrer Arbeit im Feld zu geben. Dann wurde budgetiert: Die MAAGV sah zwar den Aufbau eines Bestandes von 468 Wachhunden und 538 Patrouillenhunden vor. Doch das amerikanische Verteidigungsministerium erachtete die Zahl von 300 Tieren als genügend, zumindest für den Beginn. Und auch diese konnten nicht so einfach beschafft werden. In den Beständen der US Streitkräfte jedenfalls gab es weit und breit keine solche Anzahl von Hunden, die man an die Vietnamesen hätte abgeben können. Die Tiere mussten also neu beschafft werden. In Lenggries, in Deutschland, betrieb die USAEUR (= US Army in Europe) eine Hundeschule. William Callahan kommandierte an dieser Schule das 51st Medical Detachment des Veterinärkorps der US Army, das für die Gesundheit der Tiere zuständig war. Nun fasste er im Jahre 1961 vom Verteidigungsministerium den Auftrag, 300 Schäferhunde für Vietnam zu beschaffen. Die Amerikaner gingen eine Partnerschaft mit dem deutschen Schäferhundeklub ein. Rekrutierungsteams fuhren durchs Land und suchten Züchter, die bereit waren, ihren Hund für rund 40 Dollar der US Army zu verkaufen, wobei bei Gelegenheit schon mal 20 bis 30 Tiere aufs Mal angekauft wurden. Die Hunde wurden auf ihre Eignung getestet, auch auf Schussfestigkeit. Dann wurden die Tauglichen nach einer rund einwöchigen Quarantäne nach Vietnam geflogen. Die erste Ladung kam im Februar 1962 an. Fünf weitere Ladungen folgten, bis im Oktober 1962 die geforderte Zahl von 300 stolzen deutschen Schäferhunden in Vietnam stand. (vgl. Clark 1991, S. 13) Nachdem die zweite Ladung nach Vietnam geflogen worden war, machte sich ein Gerücht breit, wonach sich niemand verantwortlich fühlte, die Hunde in Empfang zu nehmen. Die Besatzung des Transportflugzeuges übergab sie sodann einem zufälligerweise vor Ort weilenden Sergeant der Special Forces, der die armen Tiere als Hundefleisch verkaufte. Es war zwar nur ein Gerücht. Doch dem deutschen Schäferhundeklub genügte es. Er kündigte die Zusammenarbeit mit der US Army auf. (vgl. Murray 1998, S. 36) Im weiteren Verlauf des Programms kamen auf jeden Fall keine Hunde mehr aus Deutschland. Vielmehr wurden die weiteren für die Vietnamesen bestimmten Vierbeiner nunmehr vom Hundezentrum der Air Force auf dem Stützpunkt in Lackland (Texas) geliefert. (vgl. Clark 1991, S. 13) In Vietnam wurden die Hunde von Männern eines speziellen Hundetraining-Detachments der MAAGV, also von amerikanischen Militärberatern, in Empfang genommen. Diese übergaben die Tiere sodann den südvietnamesischen Hundeführern. Die Ausbildung erfolgte an einem speziellen Trainingszentrum, das ebenfalls unter dem Kommando eines amerikanischen Offiziers stand. Im Juli / August 1962 standen die ersten Teams südvietnamesischer Soldaten bereit für die Ausbildung zum Hundeführer und zum Veterinärassistenten. Die allererste Konfrontation zwischen den riesigen deutschen Schäferhunden und den doch meist zierlichen Südvietnamesen muss ziemlich chaotisch verlaufen sein mit einer überaus humoristischen Note. Die Hunde rannten vor den Vietnamesen weg, weil sie noch nie einen Asiaten gesehen hatten und sich vor ihnen fürchteten. (vgl. Clark 1991, S. 13 - 14) Das Ganze war gewiss kein Unterfangen für schwache Nerven. Wie schwierig der Aufbau eines Hundewesens in der südvietnamesischen Armee war, kann man daran ablesen, dass in Vietnam (wie in den meisten asiatischen Ländern) der Hund keinen großen emotionalen Stellenwert inne hat, mitunter sogar verächtlich behandelt wird. Im ganzen Land gab es damals gerade mal 20 Tierärzte. In der südvietnamesischen Armee standen ganze vier Veterinäre im Dienst. Keiner davon kannte sich mit Hunden aus. (vgl. Lemish 1991, S. 168) Das US Veterinärkorps baute allerdings ein Programm zur Unterstützung der Vietnamesen auf. Aber nicht nur in der Veterinärmedizin mangelte es an allen Ecken und Enden. Auch bei den angehenden Hundeführern konnte man kein kynologisches Wissen voraussetzen und schon gar keine besondere Affinität zu Hunden. So fiel es den vietnamesischen Hundeführern äußerst schwer, Lob für ein Wesen wie einen Hund zu spenden... mit dem zu reden sie bereits für eine ziemliche geistige Verirrung hielten. Ohne Lob war indessen in der modernen Hunde-Didaktik nicht viel zu erreichen, wie auch jeder zivile Hundesportler bestens weiß. Ein spezielles Problem war die Fütterung. Die Hunde erhielten in der Regel eine Mahlzeit, die aus Reis bestand, angereichert mit etwas Gemüse und Fleisch (Büffel, Schwein, Rind). Kalkuliert wurde mit 29 Piastern am Tag. Und jetzt eben der Haken: Für die Essensration eines südvietnamesischen Soldaten kalkulierte man nur 22 Piaster. Man stelle sich vor, was das in einem Land bedeutete, in dem man Hunde sowieso nicht besonders mochte und in dem obendrauf noch nicht einmal die Menschen genug zu essen kriegten. Kurzum: Man konnte es den Vietnamesen nicht in den Kopf bringen, wieso man einen Hund so fürstlich füttern sollte, während draußen im Land die Menschen darbten. Die südvietnamesische Armeeführung konnte sich vor diesem Hintergrund nicht dazu durchringen, das Budget für Hundefutter zu erhöhen. So desolat war die Lage vieler Hundeführer und ihrer Angehörigen, dass sie die Rationen für ihre Hunde teilweise sogar selbst aßen oder ihren Familien aushändigten. Nur ein kleiner Teil landete schlussendlich noch im Napf des Hundes. 1964 begannen deshalb die Amerikaner, Büchsenfutter einzufliegen, dem ein Mittel gegen Wurmbefall zugesetzt war. Ab 1966 war es dann Standard, dass die Hunde mit Büchsenfutter gefüttert wurden. Ein Hund erhielt jeweils eine Dose pro Tag. Patrouillenhunde und kranke Exemplare hatten Anspruch auf deren zwei. Doch immer noch bestand das alte Problem: Während bei uns der Gedanke an das Öffnen einer Hundefutter-Dose nicht eben als Appetitbeschleuniger gilt, waren viele vietnamesische Soldaten offensichtlich so schlecht dran, dass sie auch das Dosenfutter noch für gut genug befanden und es selbst aßen oder ihren Angehörigen überreichten. Angesichts dieser erschreckenden Zustände wundert es nicht, dass von allen Hunden, die in den ersten zweieinhalb Jahren des Programms starben, 90% infolge von Fehlernährung verenden mussten. (vgl. Clark 1991, S. 15)
Inhaltsverzeichnis
Einleitung
Vorgeschichtliche Zeit
Altertum
Mittelalter bis beginnende Neuzeit
Neuzeit bis 1914
1. Weltkrieg
2. Weltkrieg
Frankreich: Entwicklungen 1945 bis heute
Krieg in Indochina (1948 - 1954)
Algerienkrieg (1954 - 1962)
Deutschland: Schule für Diensthundewesen der Bundeswehr 1958 bis heute
Großbritannien: Entwicklungen 1945 bis heute
USA: Entwicklungen 1945 bis heute
Vietnamkrieg (1961 - 1973)
Schlussfolgerungen und Ausblick
Literaturverzeichnis