Der Hund in der Antike

Im Antikenmuseum Basel kann man Stelen und Vasen mit wunderbaren Hundemotiven sehen. Die Darstellungen kommen uns manchmal verblüffend vertraut vor.

Der Hund war schon immer an der Seite des Menschen. Vieles spricht dafür, dass er im evolutionären Sinne daran beteiligt war, den Mensch so werden zu lassen, wie er eben ist. Als Begleiter verhalf er seinem Herren zu mehr Beute bei der Jagd, ergo zu mehr Kalorien, ergo zu mehr Fortpflanzungserfolg. Der Aufstieg des Homo Sapiens zum dominierenden Lebewesen auf diesem Planeten erscheint so plötzlich in ganz anderem Licht. Das alles hat sich in zeitlichen Dimensionen abgespielt, die wir auf Zehntausend, womöglich aber auch auf Hunderttausend Jahre veranschlagen müssen, wie modernere Forschung zeigt.

 

Bild: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.
Bild: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.

 Grosse Hundedichte

 

Aus dieser Perspektive erscheint uns die Antike als eine junge Epoche. Wenn man sich Darstellungen von Hunden aus der Zeit Plus-Minus 500 Jahre um Christi Geburt anschaut, so verspürt man eine verblüffende Nähe zur Gegenwart. Viele Zeitgenossen meinen, heute gebe es einen Hundeboom in der westlichen Welt. Das ist eine falsche Sicht. Die Hundepopulation stagniert oder ist sogar leicht rückläufig. Schon im alten Griechenland wimmelte es von Hunden. Natürlich wurde die Population damals nicht erhoben. Aber es spricht vieles dafür, dass der Hund im Alltag mindestens so präsent war wie heute. Die treuen Vierbeiner haben das getan, was sie heute noch tun. Am liebsten begleiteten sie ihren Herren. Sie spielten mit den Kindern. Sie bettelten am Tisch, krochen nicht selten sogar unter die Bettdecke. Sie halfen auf der Jagd, bei der Bewachung des Hauses, Hofes und der Herde. Die Städte des östlichen Mittelmeerraumes waren voller Pariahunde. Halb wild, halb zahm, zogen ganze Rudel durch die Gassen auf der Suche nach fressbaren Abfällen, legten sich dann in die Sonne und verdösen den Tag – ein Schauspiel, das man noch heute in manchen Städten sehen kann. Das kulturelle und politische Leben mag im antiken Griechenland in den Städten geblüht haben. Aber das Land war kleinräumig. Um die für heutige Verhältnisse kleinen Städte gruppierte sich ein ländliches Leben, in dem Tiere ganz selbstverständlich in der Nähe des Menschen weilten.

 

Zwischen Liebe und Verächtlichkeit

 

Trotz dieser Beliebtheit zeichnete sich die Wahrnehmung des Hundes damals wie heute durch eine gewisse Ambivalenz aus. Das Attribut der Treue wurde keinem anderen Wesen so sehr zugedacht wie dem Hund. Sie wurde bewundert, wie im Odysseus, als der Hund Argos über lange Jahre auf einem Misthaufen wartete, bis sein Meister zurückkehrte. Auf der anderen Seite legte man ihm diese Treue stets als Schleimerei und Mangel an Eigenständigkeit aus. Er leckte noch liebevoll die Hand, die ihn schlug. Ein solches Verhalten war bewundernswert und doch seltsam für ein durch und durch narzistisches Wesen wie den Menschen. Nicht selten galt der Hund zudem als unrein und war an sakralen Orten unerwünscht. Von der Insel Delos, die Appollo gewidmet war, berichtet Strabon, dass Hunde verboten waren, ganz ähnlich wie man heutzutage keine Hunde in Kirchen oder auf Friedhöfe mitbringen darf. (vgl. Geographika, 10.5.5) Nicht ganz in dieses Bild passt, dass es in Griechenland einzelne Tempelanlagen gab, die von Hunden bevölkert wurden.

 

Bild: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.
Bild: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.

Kein grosser Symbolträger

 

In der Mythologie sieht man den dreiköpfigen Hund Kerberos, der den Eingang zur Totenwelt bewacht. Auch begleiten Hunde Diana (Jagdgöttin) oder Hermes (Schutzgott der Hirten). Doch in der Regel kam dem Hund kein grosses Symbolgewicht zu, während dem Menschen fremde Wildtiere wie Adler, Bär oder Löwe häufig Wappen, Fahnen und Kriegsgerät zierten. Zu sehr war der Hund in der Banalität des menschlichen Alltages gefangen, als dass er noch eine spirituelle, metaphysische Symbolik zu transportieren vermocht hätte. Hundedarstellungen waren daher oft aus dem konkreten Leben gegriffen oder aber erscheinen dort, wo ihnen ihr Meister ein Andenken bewahren wollte, etwa auf Grabstehlen. Vielleicht kam ihnen dort ein leicht ins Spirituelle gedrehter Wert als Wächter der Totenruhe oder Begleiter auf der Reise ins Totenreich zu. Überinterpretieren sollte man solcherlei aber nicht. Die Menschen verspürten wohl ganz einfach – wie heute – den Drang, ein geliebtes Wesen zu würdigen. Auf der lateinischen Inschrift eines Hundegrabes steht in völliger Unschuld:


Tausendmal hast du mich herzig geküsst

Nie tust du es wieder

Nie wirst wieder du mir
schlummern so lieblich am Hals

Trauernd im eigenen Grab aus Marmor leg’ ich dich nieder
Dass wir im Tode vereint würden auf ewige Zeit.

 

(aus Keller, Otto: Die antike Tierwelt. Leipzig 1909)

Die Kunst einer zielgerichteten Hundezucht kannten Griechen und Römer bestens. Grundmethode war schon immer die Selektion. In der Literatur begegnen uns Termini, die man als vage Rassebezeichnungen verstehen kann, so etwa der berühmte „Lakoner“. Im Allgemeinen verstand man darunter einen relativ kräftigen Jagdhund. Ähnlich verhält es sich mit dem Begriff „Molosser“. Damit bezeichneten die Römer allerlei starke Hunde für die Wache, die Jagd und den Kampf.

 

Viel Know-how in der antiken Hundezucht

 

Die Zuchtideale waren besonders bei den Römern scharf definiert, wie man einem Text von Columella entnimmt. Der Wachhund für den Hof habe schwarz zu sein. Dies wirke auf einen Dieb abschreckend. Zudem sähe man ihn in der Nacht nicht, weshalb er sich besser an einen Bösewicht heranmachen könne. Zu bevorzugen sei ein vierschrötiger Körperbau, ein grosser Kopf mit Hängeohren sowie dunkle Augen mit stechendem Glanz, eine breite, zottige Brust, starke Beine, kurze Rute, lange Zehen und Krallen. Der Hund für den Herdenschutz dagegen habe weiss zu sein. Sonst sei es schwer, ihn in der Dämmerung vom Wolf zu unterscheiden. Der Herdenschutzhund dürfe zwar nicht so schlank sein wie ein Jagdhund, aber auch nicht so kräftig wie ein Hofhund. Ein länglicher und höherer Körperbau sei einem vierschrötigen zu bevorzugen, da der Herdenschutzhund so schnell sein müsse, um einem Wolf zu folgen. Man liest daneben eher skurrile Anweisungen wie jene, dass Hündin und Rüde keinesfalls zu früh zum Deckakt zugelassen werden dürfen.
Dies zehre an den körperlichen Kräften und lasse den Charakter entarten. (vgl. De re rustica, 7.12)

 

Bild: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.
Bild: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.

Hundetypen - keine Rassen wie heute

 

Insgesamt wurden aber die wenigsten Hunde sehr zielgerichtet gezüchtet. Die vielen Pariahunde am Rande der Siedlungen vermehrten sich unkontrolliert. Und in Hinterhöfen dürften es Hündinnen und Rüden ganz bunt getrieben haben. Ohnehin schwebten den antiken Menschen lediglich bestimmte Typen von Hunden vor, deren Zucht man durch eine Selektion steuerte, die dem guten Auge des Kenners entsprang, also letztlich der Intuition. Mit der Vorstellung einer reingezüchteten Hunderasse im modernen Sinn hatte dies nichts zu tun. Fremd war die heutige Vorstellung von bis ins kleinste Detail ausdefinierten Rassen, deren Reinheit mit einer grossen Bürokratie (Stammbäume, Zuchtreglemente, schriftlicher Rassestandard usw.) sichergestellt werden soll. Solcherlei entsprang erst dem geistigen Umfeld des 19. Jahrhunderts, nicht zuletzt einem noch kaum kritisch reflektierten Darwinismus.

 

Guter Jäger - guter Soldat

 

Den höchsten sozialen Status verkörperten die Jagdhunde. Es galt: je grösser das erlegte Wild, je grösser das Prestige. Schon in der griechischen Antike war die Jagd nur noch ein Hobby der gehobenen Schicht, wobei der Sportsgeist des Jägers der militärischen Ertüchtigung zudiente. Xenophon empfahl, dass man die Burschen auf der Jagd trainieren solle. So werde aus ihnen reife Männer in Geist, Wort und Tat. Die Ahnen hätten ihre Erfolge im Krieg ihrer Geschicklichkeit in der Jagd verdankt. (vgl. Kynegetikos, 1, 12 u.a.) So ergab sich in Griechenland ein staatsbürgerlicher Kanon, der auch im republikanischen Rom noch lange spürbar war: guter Jäger, guter Sportsmann, guter Bürger, guter Soldat.

 

Kommentierte bilder mit hundemotiven

 

Wer sich einen Einblick in die Hundewelten der Antike verschaffen will, muss gar nicht weit reisen. Im Antikenmuseum in Basel gibt es wunderbare Darstellungen, die wir uns gleich anschauen wollen.

  • Link zum Antikenmuseum Basel: antikenmuseumbasel.ch
  • Zum Vergrössern: Klick auf das jeweilige Bild.
  • Alle untenstehenden Bilder: Antikenmuseum Basel und Sammlung Ludwig.

Stele des Heros Makedon

 

Material: Marmor
Funktion: Grabstele
Herkunft: Attika
Zeit: um 410 v.Chr.

 

 

Der Hund wirkt kräftig. Vielleicht war es ein Jagdhund für grösseres Wild, vielleicht aber auch ein Wachhund. Auf jeden Fall scheint er sehr vertraut mit seiner Familie gewesen zu sein. Seine Körperhaltung stellt eine recht deutliche Spielaufforderung gegenüber dem Jungen dar, wie sie noch heute jeder Hundehalter spontan zu verstehen vermag. Interessant ist das zottige Fell. Es gibt viele antike Statuen, die starke Hunde mit zotthaarigem Kleid zeigen. Ganz prominent sind drei Darstellungen auf dem Pergamonaltar. Man sieht grosse, kämpfende Hunde bei Artemis, Hekate und Asteria - und alle diese Hunde haben ein unverkennbar zottiges Fell.


Grabstele des Euthesion

 

Material: Marmor
Funktion: Grabstele
Herkunft: Attika
Zeit: Spätklassik (um 400 v.Chr.)

 

 

 

 

 

 

Hund und Wurfholz (in der linken Hand) zeichnen den dargestellten Jüngling als Jäger aus, obwohl sich die Kleidung kaum zur Jagd geeignet haben dürfte. Der Hund erscheint ohne Zweifel als Jagdhund, was bestens harmoniert mit dem Hasen, den der Junge in der rechten Hand hält.


Grabstele mit Lakonerhund

 

Material: Marmor
Funktion: Grabstele
Herkunft: Attika
Zeit: ca. 410 v.Chr.

 

 

 

 

 

 

Wiederum erscheint ein Hund mit spitzer Schnauze auf der Grabstele. Seine Schnauze ist nach unten gedrückt. Wahrscheinlich wird damit verdeutlicht, dass es sich um einen Jagdhund handelt, der die Fährte aufnimmt. Beim Hund könnte es sich ohne Weiteres um einen Lakoner gehandelt haben. Da eine solche Rassebezeichnung mit dem Familiennamen der Verstorbenen übereinstimmt, figuriert der Hund womöglich als eine Art Familienwappen.


Glockenkrater des Hektor-Malers

 

Material: Ton gebrannt
Funktion: Gefäss
Herkunft: Attika
Zeit: Hochklassik (um 450 v.Chr.)

 

 

 

 

 

 

 

Die beiden Hunde erscheinen relativ gross und schlank, etwa so wie ein heutiger Greyhound. Der eine Hund bückt sich nach vorne in die charakteristische Stellung beim Aufnehmen einer Fährte.


Spitzamphora des Acheloos-Malers

 

Material: Ton gebrannt
Funktion: Gefäss
Zeit: Spätarchaisch (um 510 v.Chr.)
Herkunft: Attika

 

 

 

 

Ausschnitt: Hund nimmt einen Knochen.

Ausschnitt: Hund peilt Happen vom Tisch an.

 

 

 

 

 

Man braucht nicht lang zu philosophieren: Auf dem Bild wird ein Gelage dargestellt. Ein Hund (links) ist gerade daran, sich einen Happen vom Tisch zu nehmen. Ein anderer Hund (Mitte) hat einen Knochen ergattert und hält ihn im Fang. Was hier zum Ausdruck kommt, ist eine unglaubliche Beiläufigkeit. Hunde waren ganz selbstverständlich dabei. Ihr Verhalten erschien in keiner Weise geheimnisvoll und konnte jederzeit akkurat dargestellt werden, genauso wie heute noch jeder Hundehalter selbstverständlich weiss, dass sein Hund die Speisen auf dem Essenstisch begehrt und auch gerne zugreift, wenn man ihn lässt, während der Meister das Ganze noch lächelnd mit der Handykamera festhält. Interessant ist auch, dass im unteren Bereich noch andere Tiere dargestellt sind, z.B. ein Rind, was für eine rurale Umgebung spricht. Vielleicht sollte damit weiterhin angedeutet werden, dass der Hund das dem Menschen nächststehende Tier ist, während die anderen Tiere weiter entfernt von ihm leben.


Kelchkrater des Dareios-Malers

 

Material: Ton gebrannt
Funktion: Gefäss
Zeit: Spätklassik (um 340 v.Chr.)
Herkunft: Apulien

 

 

 

 

 

 

Rhodope (Königin aus Thrakien) muss sich vor dem König Skythes verantworten. Der Hund steht an seinem Meister hoch. Vielleicht bettelt er oder will Aufmerksamkeit erlangen, ganz so wie es Hunde auch heutzutage noch tun.


Kindersarkophag mit Eberjagd

 

Material: Marmor
Funktion: Sarkophag
Zeit: letztes Drittel 3. Jh. n. Chr.
Herkunft: Rom

 

 

Ausschnitt: Hund packt den Eber am Bein.

 

 

 

 

 

Zu sehen ist in sehr gut erhaltenem Zustand der Meleagermythos (die kalydonische Jagd): Meleager, von Kameraden und Atalante unterstützt, bekämpft den tödlich verwundeten Keiler. Der Kopf des reitenden Meleager trägt Porträtzüge des verstorbenen Knaben. Zwei Hunde sind zu erkennen: ganz links einer an der Leine der Figur des Putto, links ein zweiter, der in das Bein des Keilers beisst.